Monday 6 January 2020

Die rote Stadt Zusatzinfos, Teil 3

Vorbilder: Catalina de Erauso 



    
         Ich weiß, die Protagonistin von Die rote Stadt klingt an den Haaren herbeigezogen: eine junge Frau, in Männerkleidung, ist allein, ohne Vertraute, ohne Hilfe, in Lateinamerika unterwegs, gerade während die Eroberungskriege toben...   Allerdings ist gerade diese Figur an ein reales Vorbild angelehnt, das sie vielleicht sogar übertrifft: Catalina de Arauso (Portrait oben).
      Nach eigener Auskunft wurde Catalina 1585 im Baskenland geboren und von ihren Eltern bereits als Kind in ein Kloster gegeben. Als Heranwachsende entschied sie, daß das Klosterleben nichts für sie sei, schnitt sich die Haare ab und entkam eines Nachts aus dem Kloster. Danach lebte sie unter wechselnden Namen nur noch als Mann, zuerst un Spanien, bis sie 1603 als Soldat nach Südamerika ging, wie eben so viele andere in diesen Jahren.
     Angeblich begegnete sie mehrmals verschiedenen Familienmitgliedern, darunter ihrem Vater, Bruder, Tante... , die sie alle nicht erkannt hätten.
     In Südamerika hat sie in den folgenden Jahrzehnten so ziemlich überall gelebt, mit aus Ausnahme Brasiliens (das ja zu Portugal gehörte) und tat sich dabei als Soldat in mehreren Kampagnen hervorgetan, darunter in den 1610er in den Kriegen gegen die Mapuches in Chile. Ihr/sein Ruf dabei war... hmmm ... spezifisch. Jähzornig und aufbrausend, geriet er/sie immer wieder in Schwierigkeiten mit dem Gesetz, entkam aber immer wieder, einmal, weil er/sie in der Regel gute Beschützer hatte, und sich andererseits auf ihren Status als Baske und somit cristiano viejo (Altchrist, d.h. jemand mit aussschließlich christlichen Vorfahren. Basken galten grundsätzlich als cristianos viejos, weil das Baskenland nie von den Muslimen beherrscht worden war. Cristianos viejos hatten eine Reihe Priviliegien, wie Beispielsweise nach Amerika emigrieren dürfen, höhere Ämter bekleiden, und eben nicht bei Verhören gefoltert werden).
Philipp IV von Spanien
       1623 jedoch passierte etwas, was sich nicht so leicht beiseite wischen ließ: bei einem Streit kam ihr Gegner um, ihr drohte die Todesstrafe. Also entschloß sie sich zu etwas, was ihr sehr schwer gefallen sein muß: sie bat um eine Beichte beim Bischof und gestand, eine Frau zu sein. Extra hinzugerufen Hebammen bestätigten diese ungeheure Behauptung, es gab einen Riesenskandal, der bis zum König und dem Papst drang. Die Todesstrafe war allerdings vom Tisch, insofern war sie erfolgreich.
      Catalina (diesmal unter diesem Namen) wurde also zurück nach Spanien verschifft und hatte eine Audienz beim König Philipp IV und dem Papst Urban VIII. Der erste beließ ihr sämtliche militärischen Auszeichnungen und Dienstgrade, der zweite erteilte ihr einen Dispens, weiterhin Männerkleidung tragen zu dürfen.
   1630 war sie zurück in Amerika und verbrachte den Rest ihres Lebens in Neuspanien (heute Mexiko), wo sie ihren Lebensunterhalt mit Maultiertransport verdiente. Dort starb sie auch 1650 in dem für das 17. Jahrhundert beachtlichen Alter von 65 Jahren.
         In der Zeit, in der sie die alles entscheidenden Audienzen beim König und Papst hatte, diktierte Catalina ihre Autobiografie, aus der im Prinzip fast alle Information über sie stammt. Das aus moderner Sicht faszinierende daran ist, daß sie sich darin nie zu ihrer Geschlechtsidentität äußert. Natürlich existierten zu ihrer Zeit solche Begriffe wie Transsexualität noch nicht, aber dennoch erwartet man, zu erfahren, ob sie sich eher als Mann oder als Frau empfand bzw. wohlfühlte. Nichts. Selbst als es ums Heiraten geht (sie hat mindestens zwei Verlobungen abgebrochen), sagt sie nur etwas wie "die war nicht wirklich mein Typ"...  Vielleicht wollte sie ihr Inneres nicht so komplett vor dem Hof ausbreiten, vielleicht war sie tatsächlich kein Kopfmensch (wie gesagt, sie konnte nicht schreiben und hat ihre Erinnerungen diktiert) und hat sich über so Abstraktes wie Geschlechtsidentität keine großen Gedanken gemacht.... Wir werden es nie erfahren.

Wer des Spanischen mächtig ist, kann ihre Autobiografie hier nachlesen.




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