Die rote Stadt Zusatzinfos, Teil 7: Chemamüll

    In einigen Szenen in Der roten Stadt passieren entscheidende Ereignisse in der Nähe von Chemamüll, was auf den Status dieser Kunstwerke in der Mapuche-Kultur hinweist. Der Begriff bedeutet buchstäblich "Holzmensch" (Che - Mensch und Mamüll - Holz) und beschreibt eine überlebensgroße - meistens deutlich über 2 Meter - aus einem Holzstamm geschnitzte Statue.
    Ihr ursprünglischer Zweck war der einer Andachtsstatue, und war als solches Teil eines Begräbnisrituals, daher haben die Statuen meistens irgendwelche Züge, die die Person identifizieren sollen: das Geschlecht ist immer zu erkennen, es können aber auch Kopfbedeckungen, Bärte usw angedeutet werden, wenn auch immer stark stilisiert.
     Mittlerweile findet man sie kaum noch als Teil von Begräbnissen (Mapuchefriedhöfe haben "normale" Grabsteine), sie sind aber umso mehr deutlicher Ausdruck der Mapuchekultur. Die Statuen oben wurden diesen Februar aufgenommen, und zwar in einem Naturschutzgebiet, das von einer Mapuche-Assoziation verwaltet wird.

      Diese beiden Statuen (das Bild ist verschwommen, weil ich es aus ziemlicher Entfernung aufgenommen habe, tut mir leid) wurden von Protestierenden im Rahmen der sozialen Unruhen, die im Oktober letzten Jahren ausgebrochen sind, aufgestellt, und zwar im Herzen von Santiago, auf der Plaza Italia und einige Meter von einer Statue eines Generals aus dem19. Jahrhunderts. So wie es derzeit aussieht,  hat die Regierung die aktuelle Coronakrise und die daraus resultierende Quarantäne ausgenutzt, um diese Statuen zu entfernen und vermutlich zu entsorgen. Schade eigentlich, wäre eine gute Gelegenheit und Anlass gewesen, die Rolle der indigenen Bevölkerung in Chile zu diskutieren.

     Ist es eigentlich realistisch, Chemamülls im späten 16. Jahrhundert vorfinden zu wollen, wie in meinem Roman? Das ist eine schwierige Frage, weil die Statuen aus unbehandelten Holz geschnitzt werden und es im regenreichen Klima Südchiles nicht sehr lang aushalten. In der Kolonialzeit, so ab dem späten 17., 18. Jahrhundert sind sie (von Reisenden) auf jeden Fall bezeugt, für die früheren Epochen wird ihre Existenz angenommen. Also habe ich mir die Freiheit erlaubt.